Wie der hl. Joseph für Jesus und Maria arbeiten

13. März 1986 u. 13. März 1995

Am 13. März, am 13. des Monats, der dem hl. Joseph in besonderer Weise geweiht ist, soll die Predigt über den hl. Joseph, den Bräutigam und Gemahl der seligsten Jungfrau Maria handeln. Er gehört nach dem Heilsplan Gottes zu Maria und ist mit ihr unzertrennlich verbunden, wie es uns in der Präfation vom hl. Joseph so klar und schön und tief gesagt wird, wenn es da heißt, dass wir „bei der Verehrung des hl. Joseph die Wege der Weisheit Gottes rühmen sollen, denn ihm, dem Gerechten, hat der himmlische Vater die jungfräuliche Gottesmutter anvertraut, ihn, seinen treuen und klugen Knecht, hat Gott bestellt zum Haupt der Heiligen Familie. An Vaters statt sollte er Gottes eingeborenen Sohn beschützen, der durch die Überschattung des Hl. Geistes empfangen worden war, unseren Herrn Jesus Christus.“

In diesem liturgischen Text werden - im Anschluss an die hl. Schrift - schlicht und einfach, aber doch sehr vielsagend, das Verhältnis des hl. Joseph zu Jesus und Maria, seine heilsgeschichtliche Bedeutung und seine Vorbildhaftigkeit für uns alle zum Ausdruck gebracht.

Der hl. Joseph ist nach dem weisen Plan der göttlichen Vorsehung zum Bräutigam und Gemahl der seligsten Jungfrau Maria sowie zum Beschützer, zum Nähr- und Pflegevater des menschgewordenen Sohnes Gottes und zum Haupt der hl. Familie bestellt worden,. Seine Aufgabe war darum zu allererst

1. Für Jesus und Maria zu arbeiten, für sie mit seiner Hände Arbeit den nötigen Lebensunterhalt zu verdienen.

Das gehörte ja zum Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes dazu, dass er nicht auf wunderbare Weise, sondern auf ganz natürliche Art, durch volle 30 Jahre lang eingefügt und eingegliedert in den Schoß seiner bescheidenen Arbeiterfamilie leben wollte und dabei – wenigstens in den Jahren der Kindheit und Jugend, angewiesen sein wollte auf die liebevolle Sorge und Arbeit des hl. Joseph.

Sicher war darum der hl. Joseph Tag für Tag gern und willig an der Arbeit, um Jesus und Maria den nötigen Lebensunterhalt zu verschaffen.

(Der hl. Joseph war – wie uns die Hl. Schrift berichtet – „faber“ („tekton“) – ein Zimmermann, der nach orientalischer Art nicht bloß Tische und Stühle, Betten, Türen und Fenster, auch Dachstühle und landwirtschaftliche Geräte zu verfertigen hatte.

Der hl. Joseph wird das insgesamt gewesen sein, worunter wir heute in Mitteleuropa drei Berufe meinen, nämlich Zimmermann im eigentlichen Sinn, dann aber auch Tischler und Wagner.

In der galiläischen Bergstadt Nazareth kamen wohl alle möglichen Menschen zum hl. Joseph, um bei ihm, dem Zimmermann, ihre Bestellungen zu machen: Bürger und Bauern bestellten bei ihm ihre Einrichtungen (Tische, Stühle und Betten, sie verlangten vor allem aber auch seine Hilfe beim Hausbau.)

Der hl. Joseph war vielleicht manchmal auch arbeitslos; aber für gewöhnlich kamen sicher genug Aufträge daher. Vielleicht verdiente der hl. Joseph dabei gar nicht so schlecht, zumal er sicher als gewissenhafter, fleißiger und exakter Handwerker das Vertrauen seiner Mitbürger besaß. Entscheidend für den hl. Joseph war aber, dass er wusste, dass er durch seiner Hände Arbeit nicht bloß sich selber, sondern vor allem dem göttlichen Kind und dessen Mutter, seiner vielgeliebten, makellos reinen jungfräulichen Gemahlin Maria, den nötigen Lebensunterhalt zu verschaffen.

Ich meine, dass Schilderungen von übergroßer Armut im bescheidenen Haus der hl. Familie zu Nazareth übertrieben sind; denn übergroße Armut würde ja dem hl. Joseph nicht zur Ehre, sondern eigentlich zur Schande gereichen, weil man daraus schließen müsste, dass der hl. Joseph ein lebensuntertüchtiger Mann gewesen wäre, der in seinem Beruf nichts oder nicht viel taugte. Der hl. Joseph tat sicher seine Arbeit gern, gewissenhaft und voll Freude.

Bei zunehmendem Alter und zunehmender körperlicher Kraft arbeitete dann der menschgewordene Sohn Gottes selbst an der Seite des hl. Joseph in der Zimmermanns- Werkstatt mit. Das ist etwas besonders Ergreifendes am verborgenen Leben Jesu, dass sich Jesus Christus 30 Jahre lang in das schlichte Leben einer bescheidenen Arbeiterfamilie eingefügt hat. Mit Recht heißt es von ihm in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ des II. Vat. Konzils (Artikel 22): „Der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist hat Er gedacht, mit einem menschlichen Willen hat Er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen hat Er geliebt.“ Gelernt aber hat Jesus Christus dies alles nicht bloß von seiner jungfräulichen Mutter Maria, sondern auch vom hl. Joseph, bei dem der Gottmensch in die Lehre gegangen ist.

Ja, der hl. Joseph hat für Jesus und Maria freudig und gern, gewissenhaft und gut gearbeitet. Er könnte darin uns allen, nicht bloß den Familienvätern, den Arbeitern und Handwerkern, sondern auch den Priestern und Ordensleuten Vorbild sein. Wir alle haben auf dem Ackerfeld des Gottesreiches zu arbeiten und mitzubauen am Reiche Gottes. Ob da nicht ernste Gewissensfragen wach werden, etwa wie arbeiten wir? Etwa nur mit Unlust, aus Zwang, aus Gewohnheit bloß oder gar nur um des schnöden Gewinnes wegen? Oder arbeiten wir aus lebendigem Glauben und in der guten Meinung, alles zur größeren Ehre Gottes zu verrichten und darum möglichst gut zu verrichten? Wird unsere Arbeit geadelt durch das Gebet und die gute Meinung oder ist es nur äußere Betriebsamkeit von der wir uns treiben lassen? Wenn Jesus Christus uns die Mahnung gibt: Lasset euer Licht leuchten, damit die Menschen eure guten Werke sehen und euren Vater preisen, der im Himmel ist, so mag Er dabei an den hl. Joseph gedacht haben, der in der Zimmermanns-Werkstatt durch bescheidene, aber gewissenhafte Arbeit sein Licht leuchten ließ, so dass die Menschen, die Nachbarn, die Mitbürger, die Kundschaften seine guten Werke, seine guten soliden Leistungen sahen und bewunderten und, innerlich dazu angetrieben, den himmlischen Vater priesen, weil sie spürten: dieser Mann arbeitet nicht nur des schnöden Gewinnes wegen, dieser Mann leistet in seinem Beruf nichts Halbes und Schlampiges, er ist ganz bei der Sache, auf ihn kann man sich verlassen, und er tut alles zur größeren Ehre Gottes und für die beiden ihm anvertrauten Menschen, für Jesus und Maria.

Ja, von diesem rechten Arbeitsethos nach dem Vorbild des hl. Joseph sollte jeder echte Christ erfüllt sein, ganz gleich welche Arbeit er in seinem Beruf zu verrichten hat: Nichts halb und schlampig, nicht mürrisch und verdrossen, sondern alles ganz und ordentlich und gewissenhaft, zur größeren Ehre Gottes, für Jesus und Maria!

2. Der hl. Joseph lebte als Haupt der Hl. Familie zusammen mit Jesus und Maria.

Überdenken wir auch das: Leben ist mehr als arbeiten. Wenn wir arbeiten, tun wir es eben, um zu leben. Zum rechten Leben aber gehört das schöne, friedvolle Zusammenleben. Der hl. Joseph lebte zusammen mit Jesus und Maria. Das war für ihn sicher etwas überaus Beglückendes, Schönes und Großes, denn es ging ja bei den beiden Personen, mit denen der hl. Joseph zusammenlebte, um die liebenswertesten, besten und heiligsten Personen. Und der hl. Joseph lebte mit Jesus und Maria wirklich zusammen in einem schönen, beglückenden Miteinander und Füreinander. Er kannte sicher nicht das bloße, kalte Nebeneinander und noch weniger das lieblose Gegeneinander, wie man es leider heute gar manchmal auch in christlichen Ehen und Familien erleben kann, die weit entfernt sind von dem, was man heute so gern als „Hauskirche“ bezeichnet. Der hl. Joseph lebte zusammen mit Jesus und Maria in dem bescheidenen Haus von Nazareth, (das – wie wir auf unserer Pilgerfahrt im Hl. Land feststellen konnten, vielleicht nur eine bessere Wohnhöhle mit einem aus Stein oder Lehm hergestellten Vorbau war, der mit Kalk weiß getüncht war. Über den paar Wohnräumen zu ebener Erde erhob sich die Dachterrasse, durch eine Stiege mit dem kleinen Hof verbunden, der in seiner Umfriedung gewöhnlich den Backofen, einen Rebstock, und vielleicht auch noch einen Feigenbaum beherbergte und durch eine Mauer oder einen Zaun nach außen abgeschlossen war. So mag auch das Haus des hl. Joseph und der Heiligen Familie in Nazareth gewesen sein.) Hier verlebte der hl. Joseph mit Jesus und Maria die seligen Jahre der Gemeinsamkeit, des gemeinsamen Arbeitens und Betens.

Wenn die Hl. Schrift uns berichtet, dass die Eltern Jesu jedes Jahr zum Osterfest nach Jerusalem pilgerten (vgl. Lk 2,42), so deutet dies auf das gemeinsame Leben der Frömmigkeit und des Gebetes hin, das der hl. Joseph mit seiner Familie führte. Das Leben der alttestamentlichen jüdischen Familie war überhaupt hervorragend religiös ausgerichtet. Schon an der Tür im Innern des Hauses hing ein Holzkästchen, in welchem einige Pergamentstreifen mit alttestamentlichen Gesetzesstellen aufbewahrt lagen; dieses Kästchen wurde von allen Ein- und Ausgehenden ehrfürchtig mit der Hand berührt, so ähnlich wie etwa in einer christlichen Familie beim Hauseingang oder Wohnungseingang der Weihbrunnkessel hängt und die Ein- und Ausgehenden nach dem Weihwasser greifen und sich damit ehrfürchtig bekreuzen. Morgens und abends sammelte sich die jüdische Familie unter dem Hausleuchter zum gemeinschaftlichen Gebet, dem der Hausvater vorstand. So können wir uns, sicher ohne irre zu gehen, sehr gut vorstellen, wie der hl. Joseph morgens vor Beginn der Arbeit und abends nach getaner Arbeit das göttliche Kind auf den Schoß nahm, ihm Schriftstellen und Gebete vorsprach, ihn beim Ausgehen in die Höhe hob, damit das Jesuskind das Kästchen mit den Gesetzesstreifen küssen konnte. Wir können uns auch gut vorstellen, wie der hl. Joseph Maria und das Jesuskind am Sabbat beim Gang zum Synagogengottesdienst in Nazareth mitnahm und mit ihnen Psalmen sang.

Und nochmals dürfen wir uns den hl. Joseph in seiner Zimmermanns Werkstatt vorstellen, wie er den heranwachsenden Jesus, der nun sein Lehrling war, unterwies, bei den verschiedenen Handgriffen des Zimmermanns und die Hand des Jesusknaben führte, ihm die Arbeit erklärte und seine ersten Versuche in der Werkstatt überwachte. Ob dabei das Herz dieses guten Mannes nicht überquoll von Ehrfurcht, Liebe und Freude, wenn er seine breite, schwielige Arbeitshand auf die noch zarte Hand des Jesusknaben legte? Der Fleiß, der Ernst und die Ausdauer des göttlichen Lehrlings, bei dem sich durch die zupackende Arbeit die noch zarten Hände härteten und schwielig wurden, eiferten auch den hl. Joseph wieder umgekehrt an, seine Arbeit gut zu verrichten als Beitrag zum künftigen Erlösungswerk seines Pflegesohnes.

Auf die Stunden der Arbeit in der Werkstatt und außer Haus folgte die gemeinsame Mahlzeit, bei der für den hl. Joseph ganz sicher der Gedanke trostvoll und beglückend gewesen sein mag, dass von seiner Hände Arbeit dem Jesusknaben und der seligsten Jungfrau Maria der notwendige Lebensunterhalt verschafft wurde.

Am Sabbat gingen Joseph und Maria ganz sicher mit dem Jesusknaben zum Gottesdienst in die Synagoge von Nazareth. Nach dem Synagogengottesdienst wird der hl. Joseph sicher mit seinem göttlichen Pflegesohn einen Sabbatgang auf die Höhen um Nazareth gemacht haben und ihm die Landschaft erklärt haben, so wie sie uns bei unserer Hl.-Land-Pilgerfahrt, als wir oberhalb von Nazareth weilten, erklärt worden ist: dort im Süden liegt der Berg Tabor und daneben die Hörner von Hittim, dahinter tief unten der See Genezareth. Und da drüben im Westen, gar nicht weit von Nazareth entfernt, liegt Naim und liegt Kana. Und dort fängt der lang gestreckte Höhenzug des immer grünen Karmelgebirges an. Und herunten breitet sich die schöne, fruchtbare Ebene Esdrelon aus. Man kann all das bei einer Hl. Land-Pilgerfahrt in beglückender Weise kennenlernen. Man kann sich auch hineindenken, wie wohl der hl. Joseph den Jesusknaben in die Landschaft und in die geographische und geschichtliche Situation von Nazareth eingeführt haben mag.

Der hl. Joseph lebte mit Jesus und Maria zusammen. Bei dieser Feststellung gehört auch noch auf die Tatsache verwiesen, dass bei diesem familiären Zusammenleben dem hl. Joseph zweifellos die Autorität des Familienoberhauptes zustand. Wie mag der hl. Joseph wohl den beiden heiligsten Personen gegenüber seine Autorität ausgeübt haben? Ich meine: das ruhige, väterliche Regiment, das der hl. Joseph dabei in der Heiligen Familie geführt haben wird, war sicher völlig frei von herrischem, tyrannischem Kommandieren und Befehlen. Eigentlich sollte es ja in jeder wirklich christlichen Familie so sein, dass möglichst wenig befohlen wird. Die von allen eingehaltene und vereinbarte Hausordnung vertritt den Befehl. Alle wissen, was sich gehört, was gemacht und eingehalten werden soll, damit das Zusammenleben schön und harmonisch verläuft. – Und wenn man mit Recht festgestellt hat, dass niemand besser, klüger, rücksichtsvoller und vornehmer zu befehlen versteht als der, der selber das gehorchen gelernt hat, so war sicher beim hl. Joseph immer dies die Grundhaltung: Er, der ein Mann des Gehorsams Gott und der Obrigkeit gegenüber war, traf seine Anordnungen Jesus und Maria gegenüber sicher äußerst vornehm und diskret (im Sinn von bescheidenen Bitten). Alles Beschwerliche aber hat der hl. Joseph zweifellos in zuvorkommender, rücksichtsvoller Weise selber getan, um nicht den beiden vielgeliebten Personen etwas befehlen zu müssen.

In den Evangelien wird uns zweimal berichtet, dass der Jesusknabe im gemeinsamen Leben im Schoße der hl. Familie zu Nazareth zunahm an Alter und Weisheit und dass das Wohlgefallen Gottes und der Menschen auf Ihm ruhte.

Wie mag da ganz besonders das Wohlgefallen des hl. Joseph auf dem Jesusknaben geruht haben. Damit aber eröffnet sich uns ein Einblick in das Seelenleben des hl. Joseph. Denn der ständige Anblick des heranwachsenden und reifenden Jesuskindes und der Umgang mit ihm war für den hl. Joseph nicht bloß schön und beglückend, sondern muss sich bei ihm auch ausgewirkt haben in seinem Seelenleben.

Überdenken wir das nur ein wenig: schon der tägliche vertraute Umgang des hl. Joseph mit Maria, der Gebenedeiten unter allen Frauen, deren Anblick, deren Erscheinung, deren Art zu beten, zu arbeiten, zu reden, war für den hl. Joseph eine fortwährende Offenbarung der edelsten Tugenden.

Das allein war doch eigentlich für den hl. Joseph schon Grund genug, um sein Mannesherz zu erfreuen und zum Streben nach Vollkommenheit und Heiligkeit anzuspornen. Maria aber war trotz ihrer hohen Würde und Auserwählung doch auch nur ein Mensch. Ganz anders der Jesusknabe. Selbst wenn dem hl. Joseph im Tiefsten und Letzten das Persongeheimnis dieses Jesusknaben, mit dem er zusammenlebte, Tag aus Tag ein, nicht voll aufgegangen sein sollte, er spürte doch sicher das geheimnisvoll Göttliche, das Ihm anhaftete.

Dazu kommt, dass der menschgewordene Sohn Gottes Jesus Christus sich dem hl. Joseph im Zusammenleben im Schoß der Heiligen Familie in der anziehendsten und liebenswürdigsten Erscheinungsform, nämlich in der eines holden Kindes offenbarte. Und an diesem geheimnisvollen, rätselhaften Kind durfte er, der hl. Joseph, Vaterstelle vertreten und durfte mit ihm fortwährend in innigster Vertrautheit zusammenleben.

Dieses Kind väterlich zu umsorgen, sein Wachsen und Reifen zu beobachten, wie da die Züge seines Angesichtes immer fester und ausdrucksvoller wurden, wie die Weisheit dieses Knaben sich immer stärker und eindrucksvoller kundtat, und wie Jesus schließlich vom Knaben zum Jüngling und vom Jüngling zum Mannesalter heranreifte, das alles miterleben zu dürfen an der Seite Mariens, das bedeutete für den hl. Joseph zweifellos eine ganz große, beglückende Freude. Und was für Geheimnisse mögen dabei dem hl. Joseph nach und nach immer mehr aufgegangen sein! Wenn es von Maria heißt: „Sie bewahrte alle diese Worte und Ereignisse und erwog sie in ihrem Herzen.“ (vgl. Lk 2,19), so mag es beim hl. Joseph nicht viel anders gewesen sein. Neben Maria, seiner vielgeliebten Gemahlin, bezog er alles auf Jesus, den lebendigen, sichtbaren Mittelpunkt seines Lebens, Arbeitens, Schaffens, und Betens. Zusammen mit Maria genoss der hl. Joseph jahrelang, jahrzehntelang diese unerhörte Ehre und Gunst, dem menschgewordenen Sohn Gottes, dem Heiland der Welt, so nahe zu sein und an Ihm Amt und Dienst eines Vaters ausüben zu dürfen in Vertretung des himmlischen Vaters.

Da folgt nun ganz von selbst das dritte:

3. Der hl. Joseph liebte Jesus und Maria.

Fast ist es überflüssig, das noch besonders zu betonen. Wichtig ist höchstens noch, zu zeigen, wie die Liebe des hl. Joseph zu Jesus und Maria gewachsen ist und zugenommen hat, immer stärker und intensiver geworden ist und sich immer mehr in vorbehaltloser Bereitschaft geäußert hat, diesen beiden heiligsten Personen ganz treu und ganz selbstlos zu dienen.

Der hl. Joseph diente in Liebe zu allererst dem göttlichen Kind, dem menschgewordenen Sohn Gottes. Er anerkannte Ihn als das, was er über Ihn von Maria vernommen hatte und was der Engel Maria und ihm selbst über dieses Kind gesagt hatte: dieses Kind ist der Sohn des Allerhöchsten. Für den hl. Joseph war wirklich alles, was er für Jesus tat, Gottesdienst. Der hl. Joseph diente dem Gottmenschen in ergreifender, demütiger, gläubig froher Liebe. Ein guter Kenner des Lebens Jesu (Dr. Joseph Patsch: Joseph, der Nährvater Jesu S. 141) meinte: „Joseph wusste, wer Jesus war, nämlich der Sohn Gottes. Dennoch dürfe man sich sein Verhältnis zu diesem Kinde nicht steif und unnatürlich vorstellen, als hätte sich Joseph vor Jesus ständig anbetend auf die Knie geworfen.“ Das ist sicher eine richtige Bemerkung. Und dennoch können wir uns das Verhältnis des hl. Joseph zu Jesus nicht anders vorstellen, als dass es wirklich ganz und gar von ehrfürchtiger Liebe beseelt war. Und wenn wir etwa annehmen, dass der hl. Joseph im Tiefsten und Letzten doch nicht um das Persongeheimnis Jesu, um seine Gottheit gewusst hat, geahnt mag er doch haben, dass dieses Kind, dieser Knabe, dieser Jungmann, mit dem er tagaus tagein zusammenlebte, etwas zu tiefst Geheimnisvolles, Hoheitsvolles, Ehrfurchtsgebietendes an sich hat; etwas ähnliches, was Moses erlebte und erfuhr, als Gott aus dem brennenden Dornbusch heraus zu ihm sprach, mag auch die Seele Josephs durchzittert haben: eine ehrfurchtsvolle Scheu, die doch wieder mit ganz großer sich zu Jesus hingezogen fühlender Liebe verbunden war.

Und das Verhältnis des hl. Joseph zu Maria mag nicht viel anders gewesen sein: Gewiss war Maria seine Braut, seine Gemahlin, die er lieben durfte, wie Mann und Frau in der Ehe einander lieben dürfen, lieben sollen. Und doch war auch die Liebe des hl. Joseph zu Maria wieder zugleich von einer ergreifenden und ergriffenen Ehrfurcht und Scheu durchdrungen gewesen sein. Er wusste ja um die geheimnisvolle Herkunft des Kindes, das Maria, seine Braut, empfangen und dann in Bethlehem geboren hatte. Er erlebte ihre unberührte Reinheit, ihre Tugendfülle, ihre Heiligkeit. Das alles umhüllt Maria für den hl. Joseph wie mit einem Schleier des Geheimnisses. Und doch wuchs die Liebe des hl. Joseph zu Maria auch immer mehr und mehr. Und was wir im Lied gerne singen, ohne uns je voll bewusst zu sein, was wir dabei singen: „Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn, im Leben und Sterben ihr Diener ich bin. Mein Herz, o Maria, brennt ewig zu dir in Liebe und Freude, o himmlische Zier!“, das mag wirklich voll und ganz die Stimmung des hl. Joseph gewesen sein. Er liebte Maria über alles, aber, wie gesagt, verbunden mit einer heiligen, ehrfürchtigen Scheu vor diesem einzigartig auserwählten Menschenkind, das zur Höchsten Aufgabe erwählt worden ist, die je einem Geschöpf von Gott anvertraut wurde!

Lassen wir es mit dieser dreifachen Überlegung über den hl. Joseph, der für Jesus und Maria arbeitete, der mit Jesus und Maria zusammenlebte und der Jesus und Maria über alles ehrfürchtig liebte, bewendet sein. Ziehen wir nur noch die Konsequenzen daraus für unser persönliches geistliches Leben: auch wir sollen für Jesus und Maria, für ihre Ehre und Verherrlichung arbeiten. Jeder in seiner Art und Weise, jeder in seinem Lebensstand und Beruf. Auch wir sollen mit Jesus und Maria zusammenleben! Alles mit Jesus und Maria! Und auch wir sollen Jesus und Maria über alles lieben! Ahmen wir darin den hl. Joseph nach. Wir werden dann genau so wie er aus dieser dreifachen Tatsache, wenn wir uns immer mehr und mehr bemühen, sie in unserem Leben zu verwirklichen, ebenfalls Trost und Freude und Seligkeit schöpfen für Zeit und Ewigkeit. Und auch wir werden dann einmal – wie der hl. Joseph – ein so schönes, tröstliches Heimgehen geschenkt bekommen wie dieser edle, gerechte Mann, der sicher im Beisein von Jesus und Maria seine reine Seele aushauchen durfte.